Mein Start in den Tag

Stell Dir vor, es ist November im Jahr 2035. Mein Fairphone weckt mich über eine MyNewsApp mit personalisierten 15 Minuten Nachrichten, die mich langsam aus dem Snoozemodus herausholen. Nach den Nachrichten wird irgendeine laute Musik gespielt. Wenn mich das nicht aus dem Bett holt, dann schafft es mein sehr lauter und aufziehbarer Wecker aus dem Jahr 2000, den ich regelmäßig wahllos an eine andere Stelle außerhalb meiner Bettreichweite platziere.

Im Badezimmer prüfe ich wie jeden Morgen kurz den Stand unserer Grauwassernutzungsanlage. Alles in Ordnung. Während ich in der Küche die Kaffeebohnen mahle, lese ich von unserer geleasten Smart-Home-Technologie die Wetterdaten der nächsten 24 Stunden, den Füllstand unserer Regenwassertanks und den Speicherstand der SONNENakkus ab. Unsere eigene Photovoltaikanlage, die auch bei wolkenverhangenem Himmel ultraviolette Strahlung in Energie umwandelt, wird erst nach Sonnenaufgang richtig loslegen. Die Art von PV-Anlage ist 2020 von einem philippinischen Studenten erfunden worden und verwendet AuREUS Kunststoff, das seit einigen Jahren vollständig aus Biomüll und Plastikschrott produziert wird. Es ist aus dem städtischen Raum nicht mehr wegzudenken. Dasselbe Material befindet sich auch in meinen Fahrradtaschen und Rucksäcken verarbeitet, so dass ich unterwegs beim Radeln mein Smartphone oder Arbeitslaptop aufladen kann.

Aber zurück in meine Küche: Während mein Filterkaffee langsam durchtröpfelt, schaue ich mir am Bildschirm an, welche Rezepte mit den vorhandenen Lebensmitteln kochbar wären und welche Waren bereits vom Smart-Kühlschrank auf die Einkaufsliste gesetzt wurden. Ich packe mir und meiner Tochter für die Arbeit ein paar Gemüsesnacks und einen der selbstgebackenen Muffins in unsere stapelbaren Edelstahldosen. Dann bestelle ich für den nächsten Tag noch eine Biokiste mit saisonalen Köstlichkeiten diverser regionaler Bauern. Die Kiste kann ich dann vom Markt unter Vorlage eines QR-Codes abholen, die Bezahlung wird nach Scannen des Codes automatisiert an die regionalen Hersteller veranlasst. Der Einkauf im Unverpacktladen mit den deutschlandweit eingeführten Pfandgläsern muss bis zum Wochenende warten.

Als ich gerade noch überlege, meine Familie mit einer Umfrage zum Essen heute Abend einzubinden, kommt unsere Tochter aus ihrer Schlafkoje und erzählt mir, was sie heute alles in ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit im Schulgarten vorhat. Sie plant, die Erdmieten zu vergrößern und hat dafür auch die ABC Kinder der KITA nebenan, sowie zwei erfahrende und noch rüstige Gärtnerinnen aus dem KiezGenerationenCafé eingeladen. Ich bitte sie, Fotos für die Nachbarschaftsplattform und das Café zu machen, und widme mich dann endlich der Auswahl meiner Kleidung für den heutigen Tag.

Die letzte Kleiderlieferung meines Fashion Leasing Services enthielt wieder mehrere farbenfrohe und radtaugliche Kleidungsstücke für diese graue Jahreszeit, so dass ich mich nur schwer entscheiden kann. Der Zero Waste Overall in diversen Orangetönen mit roten Nähten spiegelt am ehesten meine gute Laune wider und passt hervorragend zu meinen roten Upcycling Gummistiefeletten. In dem Outfit fühle ich mich auch inspiriert genug, um endlich ein Motto mit passendem Catering für den bevorstehenden Geburtstag festzulegen. Mehrere Dekobeispiele und passendes Fingerfood dafür wurden mir visuell ansprechend und in 3D über jede Gamingkonsole abrufbar schon vor mehreren Wochen zugeschickt. Gestern Abend kam die Erinnerung vom Team der EcoLifestyleCrowd, dass das Angebot in 2 Tagen abläuft.

Ich aktiviere meine 365MobileApp, in der ich in den Wintermonaten auch die Mitfahrgelegenheiten in privaten PKWs gebucht habe. Wegen der unkalkulierbaren Windböen und Starkregenschauern nutze ich aktuell eher selten die vielfältigen, meist elektrischen (Lasten-)Räder, die im öffentlichen Raum ans dezentrale Energienetzwerk angeschlossen zur Verfügung stehen. Zehn Minuten später stehe ich mit Schirm an der nächsten Straßenecke und warte auf die Pendlerin, die mich seit einiger Zeit einmal die Woche zum Hauptbahnhof mitnimmt. Sie fährt einen MION, den kleinen Cousin vom ZION der Sono Motors GmbH. Während wir uns, vom Verkehrsleitsystem geführt, in den ÖPNV Straßenfluss eintakten, tauschen wir Anekdoten aus unserer fossilen Jugend aus und amüsieren uns über die absurd hohen Beträge, die heutzutage für einen funktionierenden Kassettenrekorder zu zahlen sind.

Meine Fahrerin freut sich schon auf Ihren Arbeitstag mit Schülerinnen und Schülern zur „Bahnhofsbegrünung“. Heute wird der Zustand der begrünten Haltestellendächer bewertet. Zudem sollen die Pflanztöpfe der Beeren- und Nusshecken auf dem Bahnhofsdach zusammen mit den installierten Solaranlagen winterfest gemacht werden. In der Touristeninformation und online kann die Menge an eingespeister Solarenergie in Verbindung mit den Wetterdaten und die Menge der geernteten Früchte mitverfolgt werden, die direkt vor Ort verarbeitet und verkauft wurden. Ein Beispiel eines lokalen universitären Forschungsprojektes, das europaweit Nachahmung gefunden hat und die Themen Landwirtschaft, Ernährung, Wetterforschung, Baukultur und Identifikation mit dem eigenen, in diesem Fall städtischen Lebensraum in einem Bildungsprojekt verknüpft.

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